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Aktuelle Forschungsthemen

Wien Informell

Weite Teile der Randzonen des Wiener Stadtgebiets werden noch heute von vormals informellen, „wilden“ Siedlungsstrukturen geprägt. Seit den Hungerjahren des Ersten Weltkriegs sind in mehreren Wellen spontane, existenzieller Not entsprungene „Bretteldörfer“ entstanden. Ein Phänomen, das die formelle Stadt, ihre Planungsinstrumente und Institutionen herausforderte. Diese sozialgeschichtlich wie städtebaulich bedeutende Entwicklungsschicht der Stadt wurde bislang nicht umfassend erforscht, ja kaum jemals thematisiert. Insbesondere die Zeit nach 1945, als es nach einem neuerlichen, kriegsbedingten Schub informeller Siedlungstätigkeit zu einem umfassenden Formalisierungsprozess kam, ist bisher kaum beleuchtet worden. Der „Baurechtliche Sanierung“ genannte Prozess beschäftigte die Wiener Stadtverwaltung bis in die 1990er-Jahre, seine Folgen bis heute. Das Forschungsvorhaben untersucht diese Stadtproduktion „von unten“ im Zeitraum 1945–1992 sowohl räumlich-quantifizierend als auch qualitativ im Sinne einer Analyse des öffentlichen Diskurses und der fachlichen Debatten. Das Projekt sieht sich gleichermaßen als Betrag zur Erforschung der Wiener Stadt(planungs)geschichte und zur breiteren Diskussion eines „hands on urbanism“.

Forschungsprojekt seit 01.03.2021
Wien Informell. Informelle Stadtproduktion 1945-1992


Retrofit_LABsVienna

Das transdisziplinäre Projekt beschäftigt sich mit der nachhaltigen Transformation von Wohnquartieren der Nachkriegsmoderne in Wien und der Ermittlung von vorhandenen Potenzialen und Aktionsfeldern zum Zwecke der Quartiersertüchtigung, dem sogenannten „Retrofitting“.

Der Begriff „Retrofitting“ bzw. „Retrofit“ steht dabei – anders als oftmals interpretiert – nicht nur für die Nachrüstung eines singulären oder mehrerer Gebäude, sondern inkludiert die Aufwertung des umliegenden urbanen Raums, der Freiflächen, sowie die Nachrüstung der sozialen und ökologischen Infrastrukturen, unter größtmöglicher Integration und Beibehaltung der vorhandenen Strukturen, bei gleichzeitiger paralleler partizipativer Prozessgestaltung.

In einem digitalen Online-Dialog-Modul werden gemeinsam mit lokalen Wissensträger*In darunter Key-Stakeholder, Stadtteilakteur*Innen und Retrofitting-Expert*Innen aus vierzehn Wiener Institutionen konkrete Handlungsfelder, Bedarf sowie Ansatzpunkte zur trans- und interdisziplinären Prozessgestaltung erarbeitet, um diese Erkenntnisse in einem weiterführenden Projekt der angewandten Forschung als Mehrwert für Wien zu vertiefen.

Forschungsprojekt 2020/2021
Online-Modul zur transdisziplinären Projektentwicklung und Projektdesign von Retrofitting-Pilot-Labs am Standort Brigittenau mit dem übergeordneten Ziel der nachhaltigen räumlichen Quartiersentwicklung in Wohnquartieren der Nachkriegsmoderne in Wien.


Stadtstrukturforschung

Unsere Gesellschaft steht vor neuen Herausforderungen: Klimanotstand, Gesundheitskrise, Mobilitätswende, Volldigitalisierung. Nicht zuletzt, weil ein Großteil der Bevölkerung in Städten lebt, gilt es diese Herausforderungen besonders im urbanen Raum zu bewältigen. Wobei, aufgrund der Versäumnisse in der Vergangenheit nun radikale Schritte vonnöten sind. Dazu gehört auch den uns zu Verfügung stehenden Raum neu zu lesen, zu denken und in Folge dann eben auch adäquat zu nutzen. Was uns in diesem Bestreben hindert ist – zumindest aus städtebaulicher Sicht – ein nicht zeitgemäßer Umgang mit der Ressource Raum, der bereits dort beginnt, wo wir diese Raumkonstellationen benennen und „labeln“.

Stadtstrukturforschung bildet den Ausgangpunkt für die Wissensproduktion im und für Städtebau sowie Stadtplanung. Erarbeitetes Wissen wird dabei nicht nur im theoretischen Feld behandelt, sondern ebenso anhand der gebauten, gestalteten Umwelt überprüft, konkretisiert und – dort wo es möglich ist – als handlungsleitende Aussage formuliert.

Das Verständnis für die neuere Stadtstrukturforschung hängt eng mit der wissenschaftlichen Arbeit der Stadtmorphologen zusammen, welche ihren ersten Höhepunkt in den 1960er Jahren mit der Italienischen Schule erfuhr (vgl. Raith 2000, 13); namentlich vor allem mit den Studien Saverio Muratoris und Gianfranco Caniggias. Die Stadtmorphologie beschäftigt sich mit der Analyse der Entwicklung und Transformation von Siedlungs- und Stadtstrukturen. Als Forschungsgebiet des Städtebaus und der Stadtgeographie befasst sich die Stadtmorphologie mit urbanen Formen, sowie mit den (physischen) Formungsprozessen innerhalb der Siedlungskörper. Die Herangehensweise beruht zumeist auf historischen und plantechnischen Analyseverfahren. Auch in der Stadtstrukturforschung stehen diese Aspekte im Vordergrund. Denn im Gegensatz zur Stadtforschung, die sich vornehmlich sozialwissenschaftlicher Methoden bedient, steht in der Stadtstrukturforschung die gestaltete Umwelt selbst und der gezeichnete Plan im Mittelpunkt der methodischen Annäherung.

Darüber hinaus – und darin unterscheidet sich dieser Ansatz von der klassischen, typologischen Stadtmorphologie, die zwar auch enge Beziehungen zu Nachbarwissenschaften pflegt, die aber traditionell vor allem zur Stadtgeschichte Bezug nimmt – fließen hier Aspekte sämtlicher Sozialwissenschaften ein: die physische Form der Stadt wird als Ergebnis historischer, kultureller und sozialer Einflüsse interpretiert und vor dem politisch-ökonomischen Kräftespiel verwaltungstechnischer Vorgaben analysiert. Mit dem Anspruch auf konkrete, im aktuellen Städtebau, in der Praxis anwendbare Aussagen geht Stadtstrukturforschung noch einen Schritt weiter und setzt sich selbst ein Richtungsziel, welches im Allgemeinen in der Grundlagenforschung nicht vermutet wird.

Projekte
StadtParterre Wien / Street-Level Environment Vienna
Wiener Parterre. Das Wiener Gründerzeit-Parterre – eine analytische Bestandsaufnahme. Pilotstudie


Metropolenforschung

Metropolenforschung beschäftigt sich mit dem Prozess der Metropolenbildung, das heißt der Entwicklung von Städten zu Agglomerationen und den damit verbundenen strukturellen, räumlichen und sozialen Veränderungen, demographischen Umschichtungen und Segregationsprozessen, dem Aufschwung und Niedergang in städtischen Teilräumen sowie institutionellen und planerischen Steuerungs- und Gegensteuerungsmaßnahmen und Handlungsebenen. 

Projekte
Transformative Räume Paris – Kollaboration mit dem Forschungsbereich Wohnbau
Off City – Kollaboration mit dem Forschungsbereich Wohnbau und CUD TU Berlin
CLIFFUP (in Antragstellung)
Smart Cities Demo – Pocket Mannerhatten


Camillo Sitte

Der Wiener Architekt Camillo Sitte (1843–1903) ist vor allem für sein 1889 erschienenes Werk „Der Städte-Bau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ bekannt, in dem er sprach- und bildgewaltig Kritik am zeitgenössischen Städtebau des auslaufenden 19. Jahrhunderts übte.

Die breit angelegte Rezeption des „Städte-Bau“ überstrahlt nicht nur das architektonische Werk von Camillo Sitte sondern auch das seines Vaters Franz (1818–1879), und seines Sohnes Siegfried (1876–1945).

Der in den 1960er Jahren an die TU Wien gelangte Nachlass der Architektenfamilie Sitte stellt in diesem Zusammenhang eine umfassende Quelle für diese Auseinandersetzung dar. In den letzten 20 Jahren konnten auch große Teile der Studienbibliothek erschlossen werden und 2019 wurde der Nachlass durch eine neuerliche Schenkung der Nachfahren erweitert, die ein genaueres Licht auf den zweiten Sohn Camillos, Heinrich Sitte werfen.

Ausgehend von der Auseinandersetzung mit einer von Camillo Sitte geplanten Fortsetzung seines Standardwerkes der Theorie des Städtebaus – die Erschließung einer bislang unbearbeiteten von Camillo und seinem Sohn Siegfried geführten Materialiensammlung – widmet sich die vorgestellte Arbeit der Kontextualisierung des vielseitigen Schaffens dieser drei Generationen umfassenden Familie von Architekten.

Dass Siegfried Sitte das Werk seines Vaters im Atelier fortsetzte, so wie es einst Camillo für seinen Vater Franz tat, stellt keine besondere Überraschung dar. Franz Sitte hatte sich in der Sakralarchitektur einen Namen gemacht und gab diesen Wirkungskreis an Camillo weiter. Siegfried erlernt in vergleichbarer Weise das Handwerk im Atelier seines Vaters Camillo.

Es zeichnet sich hierin eine Kontinuität ab, die weit über die Fertigstellung von architektonischen bzw. städtebaulichen Projekten hinaus geht. Vater und Sohn arbeiteten jeweils intensiv an der Ausarbeitung von Projekten auf unterschiedlichen Ebenen, die sich über den gesamten mitteleuropäischen Raum verteilen.

Dies umfasst auch das Engagement Siegfrieds als Lehrendem an der Staatsgewerbeschule in Wien. Der passionierte Sammler Camillo baute an der Staatsgewerbeschule eine umfassende Arbeitsbibliothek auf und gab diese Leidenschaft an Siegfried weiter. Besonders in Bezug auf das Fortschreiben der Theorie des Städtebaus verwischen die Grenzen zwischen den Generationen.

Bücher
Camillo-Sitte-Gesamtausgabe – 1. Schriften zu Kunstkritik und Kunstgewerbe
Camillo-Sitte-Gesamtausgabe – 2. Schriften zu Städtebau und Architektur
Camillo-Sitte-Gesamtausgabe – 3. Der Städte-Bau nach seinen künstlerischen Grundsätzen
Camillo-Sitte-Gesamtausgabe – 4. Schriften zu Pädagogik und Schulwesen
Camillo-Sitte-Gesamtausgabe – 5. Schriften zu Kunsttheorie und Kunstgeschichte
Camillo-Sitte-Gesamtausgabe – 6. Entwürfe und städtebauliche Projekte

Forschungsprojekte
Camillo Sitte

Camillo-Sitte-Gesellschaft


Eine Auflistung aktueller Forschungsprojekte finden Sie auch im Forschungsportal der TU Wien.